Bobi Jecklin
Jahrgang: 1947
Tätigkeit beim Bergwaldprojekt: immer nur als Aussenstehender
Beim Bergwaldprojekt seit: Beobachterstatus seit 1987
Ausbildung: dipl. Forsting ETH
Zivilstand/Familie: verheiratet, 3 erwachsene Söhne, 3 kleine Enkel
Lieblingsbaum: Eibe und Lärche
Liebster Projektort: Malans und Fanas
Freizeit: theoretisch je länger desto mehr.
Welches Erlebnis hat dich im Bergwald geprägt?
Früher (das ist bekanntlich die Zeit, wo alles besser war) hatte man als Kreisförster noch Zeit in den Wald zu gehen und „Zwiesprache“ zu halten mit seinem Wald. Und das bei (fast) jedem Wetter, bei verschiedenen Stimmungen. Man konnte sich freuen, wenn man die Erfolge seiner Eingriffe sah, man konnte sich noch mehr freuen, wenn man sah, dass es nichts zu tun gibt und sich die Natur selbst hilft.

Warum bist du Forstingenieur geworden?
Weil ich ein anspruchsvolleres Studium wahrscheinlich nicht geschafft hätte.

Gab es damals auch bei dir im Wald harte Diskussionen zwischen den Umweltschützern und den Förstern?
Ja sicher, aber auch unter den Förstern. Die grosse Frage lautete ja, in welchem Umfang kann man eine Entwicklung, die sich innert einigen wenigen Jahren gezeigt hat, in die Zukunft projizieren. Prognosen, Szenarien und Hochrechnungen sind immer heikel, zumindest das hätte man aus dem Waldsterben lernen können.

Damals in Malans 1987 sei die Bedingung für den Einsatz des Bergwaldprojektes (unter dem Patronat von Greenpeace) gewesen, kein Banner am Kirchturm aufzuhängen: Erinnerst du dich?
Ja natürlich, und die Bedingung wurde ja auch eingehalten.

Hast du auch von der berühmten „Bergwaldsuppe“ über dem Feuer gekostet?
Mehrmals sogar, und ich lebe immer noch.

Was wünschst du dem Bergwald für die Zukunft?
Dem Bergwald wünsche ich, dass er einen Waldbesitzer hat, der sich seiner Verantwortung bewusst ist, der nicht nur den Franken sieht und nicht jeden modernen Furz unbedingt als erster umsetzen will. Und ich wünsche ihm einen Forstdienst, der sich bewusst ist, dass er dem Bergwald zu dienen hat und nicht in erster Linie sich selbst.

Die Sicht eines externen Insiders
In den Achtzigerjahren wogte die Diskussion um das Waldsterben. Es gab Wissenschaftler, die warnten und dringenden Handlungsbedarf sahen. Es gab Journalisten, die die Lage dramatisierten (wer erinnert sich noch an die Fotomontage des Oberengadins, ohne Wald, mit Rüfen und Steinschlag?). Und es gab auch unter den Fachleuten die „Leugner“, welche bei den Hochrechnungen nicht mitmachen wollten. Es erinnert stark an die momentane Klimadiskussion. Mit dem Unterschied, dass man sich damals zu Massnahmen zusammenraufte wie Entschwefelung des Heizöls, Katalysator für Autos, Erneuerung der ärgsten Dreckschleudern in den damaligen Oststaaten usw. Der Wald ist nicht gestorben! Sicher zum Teil Dank diesen Massnahmen. Dass der Wald aber immer noch mehr oder weniger serbelt, wird selbst von den Forstleuten kaum noch wahrgenommen.

Wie einfach war es doch damals: Der Wald stirbt, wir tun etwas dagegen. Mit viel Elan, noch mehr gutem Willen, noch viel mehr Muskelkater, manchmal herrlich chaotischer Organisation und Improvisation. Aber immer mit Resultaten, die sich sehen lassen konnten. Was eine Handvoll Teamer mit einem Bunker (die Teilnehmende schliefen in einer unterirdischen Zivilschutzanlage, Anm. d. Red.) voller Laien im Walde zustande brachten, war immer wieder erstaunlich. Na gut, manchmal hatte man den Eindruck, der eine oder andere Teilnehmer sah seinen persönlichen Beitrag vorallem darin, dass er seine alte, vierrädrige Dreckschleuder möglichst schnell zu Schrott fahre.

Den Wald vor dem Waldsterben gerettet haben natürlich nicht wir. Aber wie gesagt, viel nützliche Arbeit in einem Schutzwald verrichtet. Und was ich am meisten geschätzt habe, dass die Teilnehmer sich selbst ein Bild vor Ort machen konnten, dass sie aus erster Hand Informationen bekamen, dass sie in den folgenden Tagen selbst sehen konnten, was dran ist. Und natürlich auch, dass sie zusammen Spass hatten, Bekanntschaften schlossen, trotz Regen, Schnee und Bunkerkoller sich die Laune nicht vermiesen liessen.

Ich muss zugeben, dass ich selbst noch nie an einer Projektwoche teilgenommen habe. Und trotzdem meine ich, als mitwirkender Kreisförster der ersten Stunde dazuzugehören, als externer Insider sozusagen. Ich konnte miterleben, wie aus der Sturm-und-Drang-Truppe eine immer besser funktionierende Organisation wurde, ohne dass dadurch Langeweile eintrat. Da ich vor zehn Jahren meine Stelle als Kreisförster verliess und in die Privatwirtschaft wechselte, habe ich den direkten Draht zum Bergwaldprojekt etwas verloren. Mir scheint, das Bergwaldprojekt ist „erwachsener“ geworden, wen wundert’s, mit 25 Jahren tut das jeder.

Ich hoffe, dass sich die heutigen Forstleute vor Ort immer noch die nötige Zeit nehmen für den Kontakt mit den Bergwald-Leuten. Denn sie sind mehr als billige Arbeitskräfte. Es sind Leute, die sich Sorge machen um die Umwelt, die sich vor Ort informieren wollen, die etwas tun wollen. Und das ist besonders heute wichtig, wo nur gereist, geredet und nichts beschlossen wird. Liebe Freunde, weiter so, mindestens nochmals 25 Jahre.

12. Juni 2012

 

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