Philippe Domont
Jahrgang: 1955
Arbeiten beim Bergwaldprojekt: Freiwilliger auf der Alp Madris
Beruf: Forstingenieur und Mediator
Berufung:  beobachten, Wissen teilen, begleiten
Lieblingsbaum:  vielseitige Liebe zu verschiedenen Baumarten wie Eibe, Linde, Birke, Fichte oder Ginkgobaum. Ihre Charaktereigenschaften und das, was sie dem Menschen geben, faszinieren mich immer wieder von Neuem
Freizeit: Geige spielen, Fotografieren, Bergwandern und Klangholz bekannt machen

Philippe, wie hast du das Bergwaldprojekt kennen gelernt?
Ich kenne das Bergwaldprojekt seit seinen Anfängen. Habe in den 80er Jahren beim WSL gearbeitet und war immer informiert über die Projekte, die laufen. Danach war ich zwölf Jahre bei Silviva im Einsatz, und das Bergwaldprojekt habe ich immer wahrgenommen. Dieses Jahr war ich zum ersten Mal dabei.

Du bist als Freiwilliger auf die Alp Madris.
Genau. Mich beschäftigt die Zunahme der Waldfläche im Gebirge seit Jahren. Der Wald verdrängt die Kulturlandschaft dadurch, dass er Weiden, Felder, Rebberge einnimmt. Im Extremfall werden Dörfer mit der Zeit wie Inseln im Wald. In einer reinen Waldlandschaft kann der Mensch aber nicht leben. Wir müssen offene Landschaften erhalten, sie sind psychologischer Sauerstoff für den Menschen. Deshalb sollten wir verhindern, dass der Wald im Gebirge weiterhin auf Kosten der landwirtschaftlichen Fläche zunimmt.

Dem hast du auf Madris gegen gewirkt.
Genau. Das Trennen von Wald und Weide ist sehr wichtig, um den Wald zu schützen. Aber es braucht Nutztiere, um die biologisch und landschaftlich wertvollen Waldweiden zu pflegen. Das ist spannend, ein brennendes Thema! 200 Jahre lang waren Kühe und Ziegen im Wald für jeden Förster etwas Schlechtes, weil sie die Waldverjüngung verhinderten. Aber hier hat es die Situation bereichert.

Deine spannendsten Momente im Projekt?
Ich wollte die Landwirte dort fragen, wie sie mit der Problematik der Verwaldung umgehen und zurecht kommen. Dieser Kontakt war sehr bereichernd, und mir schien es, den Bauern ist sehr klar, was der Einsatz des Bergwaldprojektes für ihr Leben im Hochtal bedeutet.

Nämlich?
Es ist ein Beitrag zur Erhaltung ihres Umfelds. Denn nur wenn das stimmt können sie unter anderem ihren Beruf weiter im Val Madris ausüben und auch weiterhin hier leben. Es ist sehr interessant gewesen zu sehen, wie man mit wenig Leuten und Vieh wichtige Verbesserungen bewirken kann in dieser Höhe. Dieses Thema würd ich gerne mal vertiefen.

Wie war es denn konkret, das Leben auf der Alp?
Ich hab noch nie so etwas erlebt. Kenne Übernachtungen in Berghütten oder unter den Sternen, aber diese Erfahrung, die übertrifft das alles. Ich habe in einer Scheune geschlafen, im Zugwind, die Arbeiten tagsüber waren sehr anstrengend, tagwach um 6 Uhr. Steile Wege, körperliche Herausforderungen. Eine intensive Zeit, auch für die Sinne.

Und die Gruppe?
Wir waren zwei ältere Freiwillige, wie ich sagen würde. Ein pensionierter Uhrmacher und ich. Die anderen Freiwilligen waren alle unter 30, ein Teil von ihnen kommt aus Deutschland. Aber es gab auch immer viel Besuch, Leute, die früher schon einmal hier gearbeitet haben und ihre guten Erinnerungen auffrischen wollten, zum Beispiel. Es ist eine lockere Atmosphäre, wir haben gemeinsam gekocht, abgewaschen und diskutiert. Wichtig war mir der Kontakt zur Bauernfamilie.

Was löst ein Bergwaldprojekt-Einsatz aus?
Für mich standen bei diesem Einsatz der kulturelle Austausch, und die Suche nach der vertieften Beziehung zum Projektort an erster Stelle. Nach 15 Tagen kennt natürlich niemand den Ort vollständig, aber die Gespräche mit den Einheimischen bringen viel darüber hervor. Mir ist sehr bewusst geworden, was es heisst, den Winter an einem Ort zu verbringen, wo monatelang zwei Meter Schnee liegen. Es ist wie Leben in einem weiträumigen Kloster. «Man muss hier geboren sein», sagt der Bauer.

Wie war die Arbeit?
Das Pflegen von Waldweiden ist eine sehr anspruchsvolle Sache. Ich komme ursprünglich aus dem Kanton Jura und kenne diese ständige Suche nach Gleichgewicht zwischen Land- und Forstwirtschaft. Ich war unglaublich müde nach den zwei Projektwochen. Brauchte zwei bis drei Tage, um mich von diesem Einsatz zu erholen. Zuerst ermüdet es stark, ständig am steilen Hang zu arbeiten. Aber nach vier Tagen etwa ist es einem egal, ob der Hang steil ist oder nicht, die Beine haben sich daran gewöhnt.

Wie ist das Leben auf der Alp?
Für mich war vor allem der Umgang mit Wasser, zum Beispiel zum Duschen, eine spannende Erfahrung. Ich war mir sicher, würde die tägliche Dusche vermissen und mich am kalten Brunnen waschen. Zuerst hab ich das auch gemacht, aber irgendwann war es nicht mehr so wichtig. Zum Glück hatte ich T-Shirts aus Wolle dabei, da war das eigentlich nie ein Problem für mich, und keines für die Anderen.

Wird dir etwas von diesem Einsatz bleiben?
Ich habe mir viele Gedanken gemacht. Ich gebe Kurse über Kommunikation, Mediation und verwandte Themen. Gedanken, Körper und Emotionen kann man nicht trennen. Alle drei Ebenen unterstützen sich. Die Körperebene ist bei so einem Einsatz stark  gefordert. Das macht das Erlebte auch auf den anderen Ebenen intensiver. Ich hätte mich gerne vertiefter in der Gruppe ausgetauscht, zum Beispiel über Themen wie Kulturlandschaft und die Beziehung von Mensch und Natur.

Als Forstingenieur befasst du dich schon lange mit dem Wald. Braucht er uns?
Das ist eine interessante Frage in der aktuellen Diskussion über den Naturschutz. Die Leute leben heutzutage mit einer oberflächlichen Vorstellung, von Wald und Natur und deren Beziehung zum Menschen. Zu behaupten, der Wald brauche den Menschen nicht, das ist eigentlich nicht richtig. Es kommt auf das Naturbild an, und auf das Menschenbild. Denn wenn der Wald Funktionen für uns ausüben muss, dann braucht er uns auch. Es gibt Leute, die denken, eine Natur ohne Menschen wäre eine bessere Natur. Dies erachte ich als ist menschenfeindliche und extremistische Einstellung.

Würdest du einen Einsatz beim Bergwaldprojekt weiterempfehlen?
Auf jeden Fall. Die Erfahrung ist ganzheitlich, fast schon «therapeutisch». Für mich war es eine sehr gute Mischung zwischen Alleinsein und in der Gruppe arbeiten. Ich war weg vom Internet und habe entdeckt, dass ich mich da vielleicht etwas therapieren sollte. Online- und erreichbar-sein ist etwas dominant in meinem Leben.

Warum interessiert dich der Wald? Du hast auch ein Buch dazu geschrieben.
Ich bin im Jura aufgewachsen. Unsere Nachbarhäuser waren von Förstern bewohnt. Mit dem einen bin ich immer in den Wald, habe Pilze und Beeren gesammelt. Beim anderen habe ich in den Ferien jeweils gearbeitet. Pflanzungen, Schlagräumungen und so weiter. Mit 19 hab ich dann zwei Möglichkeiten gesehen. Forst oder Musik. Eher zufällig hab ich dann ein Waldstudium gewählt, und immer viel Musik dazu gemacht. Mein Hobby ist das Klangholz, hier verbinde ich diese beiden Welten. Positive Erlebnisse in der Jugend sind eine wichtige Basis für die spätere Berufswahl.

Philippe Domont hat einen Waldführer für Neugierige geschrieben mit 300 Fragen und Antworten über Wälder, Bäume und Tiere. ISBN 978-3-85932-793-1

05. Januar 2017

 

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