Johanna McChurch
Jahrgang: 1986
Arbeit beim Bergwaldprojekt: Tannen fällen und Wegebau
Beruf: Fachchiropraktorin in Lachen, SZ
Lieblingsbaum: Trauerweide an einem Seeufer
Freizeit: Draussen mit meinem Mann und Familie Zeit verbringen beim Bouldern, Yoga, Klettern, Trailrunning, Camping, SUP und Tauchen

Johanna, was ist dein Beruf?
Ich bin Chiropraktorin mit eigener Praxis. Ich behandle hauptsächlich Patientinnen und Patienten mit Problemen am Bewegungsapparat. Chiropraktoren helfen mit gezielten Handgriffen, Blockaden der Gelenke und Schmerzen in den Griff zu bekommen. Dies ohne weitere Medizin. Es ist ein handwerklicher Beruf innerhalb der Medizinischen Berufe.

War das dein Kindheitstraum?
Ja, ich wollte schon Chiro werden, seit ein Chiro meiner skifahrenden Cousine nach einem Unfall geholfen hat, wieder schneller zu werden. Mich fasziniert es sehr, wenn meine Patienten mehr aus ihrem Körper holen können, nachdem sie von uns gerichtet worden sind. Mich reizt es auch, wenn ich mit Leuten arbeiten kann, die nach einer Behandlung wieder funktionieren, oder wieder besser funktionieren. Etwa ein Baby, dass seinen Kopf nicht selber drehen kann oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Es ist eine körperlich anstrengende Arbeit, ich persönlich muss viel mit Technik und Geschwindigkeit statt mit Kraft arbeiten. Im Wald ist das ähnlich, wenn die Technik stimmt, können alle mitarbeiten, und die Aufgabe gelingt. Stimmt die Technik nicht, können wir alle noch so viel investieren, die Aufgabe lösen wir doch nicht.

Musst du am Abend jeweils den anderen Freiwilligen den Rücken richten? Wie geht es deinem Rücken während des Einsatzes?
Ich hoffe immer, dass mich keiner fragt. Wenn es jemand wirklich gerade braucht, dann helf ich sehr gern, aber am liebsten mach ich das in der Praxis. Hexenschüssen können natürlich jeden treffen, aber solche hat es bisher keine gegeben. Meist arbeiten wir Freiwilligen körperlich sehr stark im Wald, aber wir brauchen keine Hilfe. Der erste Tag ist immer sehr streng, danach hat sich der Körper an die neuen Umstände gewöhnt. So eine Woche zeigt, wozu wir eigentlich alle fähig wären. Ausserdem schlafe ich während der Projektwochen immer sehr gut. Die Erholung ist wunderbar.

Wie bist du auf das Bergwaldprojekt gestossen?
Ich habe in einer Chiro-Praxis in Chur gearbeitet und in einer Zeitung Werbung für das Bergwaldprojekt gesehen. Eigentlich war ich im Hinterkopf bereits auf der Suche nach einer Auszeit, da hat mich das Bergwaldprojekt gerade angesprochen. Es ist wie Leben in einer anderen Welt: Kein Handyempfang tagsüber, einfach Stille. Genau diese Auszeit hatten ich und mein Mann gesucht.

Du bist jetzt zum zweiten Mal in einem Winterprojekt dabei.
Ich habe mich für eine Winterwaldwoche entschieden, da ich Respekt vor Motorsägen habe. Mir hat es gefallen, dass hier viel Handarbeit gefragt ist. Natürlich haben der Projektleiter und die Gruppenleiter mit der Motorsäge gearbeitet, aber das hat mich nicht gestört. Thomas Löffel hat mir sogar etwas die Angst vor der Motorsäge genommen.

Bist du ein Wintertyp?
In den letzten Jahren sind wir etwas mehr Ski gefahren. Ich habe über viele Jahre in Praxen ausgeholfen, in denen Kollegen von mir wegen Verletzungen beim Wintersport ausgefallen waren. Das hat mich etwas abgeschreckt. Aber wir haben beim Bergwaldprojekt das Schneeschuhlaufen entdeckt. Es ist super schön, am Morgen in der Ruhe zum Arbeitsplatz hochzulaufen.

Was fasziniert dich an den Projektwochen?
Es ist eine grosse Ruhe. Alle arbeiten konzentriert, weil keiner den anderen gefährden will. Niemand lässt sich durch etwas ablenken, es gibt kein Smartphone und keine anderen Störungen, jeder bleibt bei der Sache. Am Abend weisst du immer, was du gemacht hast. Die Veränderungen im Wald sind sofort sichtbar. Das tut schon sehr gut. Es ist kein Schönwetterverein, der hier gemeinsam etwas erreicht. Du wirst dreckig und musst dich warm anziehen. Es ist auch toll zusehen, was sich in einem Menschen bewegt, wenn er beispielsweise merkt, dass er mit seiner Körperkraft in einem kleinen Team einen grossen Baum fällen kann. Man spricht drei Tage über nichts anderes mehr als Freiwilliger, der das zum ersten Mal erlebt.

Die Projektwochen sind ein grosser Unterschied zur Arbeit in der Praxis, nicht?
In der Praxis läuft alles relativ gleichmässig und ist meist planbar. Im Wald gibt es einen Plan und eine Aufgabe, aber man muss sich immer darauf einstellen, dass es nicht so ist, wie geplant, Es ist eine andere Herausforderung. Äussere Faktoren sind viel entscheidender. Da musst du flexibler sein. Die grösste Herausforderung ist wohl für viele, dass sie zu Beginn denken, dass sie die Arbeiten nicht erledigen können. Dann merken sie aber, wenn sie es richtig machen, klappt es, und sind sehr stolz auf sich.

Leben auf engem Raum mit anderen Freiwilligen, passt das?
Das stört überhaupt nicht, am Schluss der Woche bin ich jeweils so müde, da passt das einfach. Man sitzt am Abend noch kurz zusammen und trinkt was und redet, dann gehen alle gleichzeitig ins Bett. Wäre seltsam, wenns nur Einzelzimmer wären. Und hier in Trin, im Bergwaldzentrum Mesaglina, da sind auch die Mehrbettzimmer Luxus. Wenn jemand nicht gerne Gruppenreisen macht, dann ist er vermutlich am falschen Ort. Denn hier wird nach der Arbeit auch im Haus geholfen, in der Küche, beim Putzen, alles wird gemeinsam erledigt. Es muss einem schon bewusst sein, dass man nicht alleine da ist.

Beim ersten Mal bist du mit deinem Ehemann gekommen, beim zweiten Mal ganz allein.
Ja, das war schon lässig, mit dem Partner. Wir waren aber nie in der derselben Gruppe beim Arbeiten. Ich würde jedem empfehlen, einmal mit und einmal ohne Partner zu kommen. Es sind auch manchmal Vater/Kind oder Geschwister dabei, ich finde das spannend. Es gibt so viele Einzeltäter in der Gruppe, da stört das überhaupt nicht. Ich habe einen Flyer in meiner Praxis aufgehängt und ermuntere oft Leute, auch mal mitzumachen. Für mich gehört die Woche Bergwaldprojekt jetzt fix in mein Ferienprogramm.

Bist du in deinem Alltag oft in der Natur?
Wir sind schon oft draussen, Klettern, machen Trailrunning und Survival-Runs. Für mich ist allerdings das Draussensein wichtig, nicht das Tempo. Ich mache nicht wettbewerbmässig bei diesen Rennen mit. Die Survival-Runs sind sehr lustig. Ich suche ein wenig die Herausforderung, die unbekannten Situationen. Ich bin direkt am Waldrand aufgewachsen, wir waren als Kinder nie auf der Strasse, immer nur im Wald.

Gibt es etwas, dass man beim Bergwald «richten» müsste?
Die Wirbelsäule ist ein kompliziertes Konstrukt mit vielen Aufgaben und Funktionen, die kleinen und grossen Gelenke sind alle miteinander verbunden. Diese Zusammenhänge machen manchmal das Lösen von kleinen Problemen einfacher und manchmal auch unerwartet schwierig. In einem solchen Zusammenspiel befindet sich wohl auch das Bergwaldprojekt. Zwischen Mensch, Nutzwald, Politik und Natur eine gute Koordination zu finden, benötigt Ausdauer, Weitsicht und häufig mehr Technik und Teamarbeit als Kraft.

16. Juli 2019

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