Sandra Camenzind
Jahrgang: 1976
Tätigkeit beim Bergwaldprojekt: Gruppenleiterin
Beim Bergwaldprojekt seit: 1995
Deine Berufung (Beruf): Pflegefachfrau, Schauspielerin
Zivilstand/Familie: ledig
Lieblingsbaum: Christbaum (So lange Schöggeli dran hängen)
Liebster Projektort: Montafon
Freizeit: Ausschlafen, lange „Käffele“ und dazu Zeitung lesen
Ein Erlebnis im Bergwald?
Als wir an der Jubiläumsfeier 25 Jahre Bergwaldprojekt bei „Schneesturm“ die Skulptur von Giar auf 2100 m.ü.M. aufstellten. Als die Skulptur stand, schien die Sonne durch den Wolkenhimmel auf uns, als würde sie uns damit sagen: Seit 25 Jahren bringt das Bergwaldprojekt Menschen in den Wald, in die Natur. Danke!
Deine liebste Jahreszeit im Bergwald?
Im Frühling das Grün so zart, das Leben so jung.
Im Sommer das Grün so voll, das Leben so prall.
Der bunte Herbst mit all seinen Farben, es raschelt, Ernte, Ernte.
Die winterliche Ruhe, Stille und Einkehr. Bereit für Neubeginn.
(Sprich: der ganze Kreislauf)
Was empfindest du angesichts einer 500-jährigen Arve?
Demut. Die Arve kann ja nichts dafür, dass sie da steht, seit 500 Jahren. Sie tut das einfach. Weil es ihre Lebensaufgabe ist. Klasse. Sie tut es einfach!
Wovor hast du mehr Angst, vor dem Borkenkäfer oder der Zecke?
Ganz klar, vor der Zecke. Ich verstehe auch nicht wozu dieses Tier auf der Erde ist. Was hat der Zeck für einen Zweck?
Mir ist der Borkenkäfer sympathischer. Er tut einfach das, wozu er da ist. Er tötet Fichten, und kann nichts dafür, dass wir ihm Fichtenmonokulturen hingepflanzt haben. Da muss er sich ja explosionsartig vermehren und gravierenden Schaden anrichten. Er zeigt uns durch sein tun, was wir vielleicht nicht so clever gemacht haben, bei der Waldbewirtschaftung.
Welcher Baum möchtest du sein?
Auf jeden Fall keine Fichte, dann müsste ich obenstehende Frage überdenken, würde vom Vollernter weggemacht, und bekäme als Holzpflock auf’s Dach, wenn mich der Bergwaldprojekt-Teilnehmer zum Dreibeinbockbau verwenden würde.
Wie bist du zum Bergwaldprojekt gekommen?
So weit reicht mein Gedächtnis nicht zurück.
Wie überzeugst du eine Frau, sich eine Woche Waldarbeit zuzutrauen?
Ob Frau oder Mann, nach einer Woche Bergwaldprojekt ist man ganz bei sich selbst. Spürt Mutter Erde unter den Füssen. Das kriegt man weder in einem Yoga-Workshop, noch beim Meditieren im Kloster so toll hin wie beim Bergwaldprojekt.
Ja, man muss dafür arbeiten, aber stundenlang im „Hund“ oder in der „Kobra“ verharren ist auch kein Schleck.
Mit welchem Werkzeug arbeitest du lieber? Axt oder Wiedehopf?
Wiedehopf. Damit kann man mordsmässig arbeiten, ohne sich dabei ein Bein abzuhacken. O.k., wenn man die richtige Seite wählt, kann man schon ein Bein abhacken, und mit der Axt einen gefällten Baum entasten hat schon auch was Tolles, aber ich bleibe beim Wiedehopf.
Auf welche Arbeit bist du besonders stolz?
Vor einigen Jahren war eine Frau in der Bergwaldprojektwoche, die sonst im Spielcasino arbeitet, und jeweils geschminkt zur Arbeit kam. Ich habe sie überredet, nach der Arbeit mit mir im Bergbach baden zu gehen. Sie musste weinen – Glückstränen – so etwas Befreiendes habe sie in ihrem Leben noch nie erlebt.
Was hast du lieber? Eine warme Dusche oder ein Bad im kalten Bergbach?
Für den Alltag die warme Dusche, für den besonderen Anlass den kalten Bergbach
Was beeindruckt dich am Bergwaldprojekt?
Menschen gehen eine Woche im Wald arbeiten und verhalten sich nachher umweltbewusster. Nicht, weil man ihnen mit dem Mahnfinger gedroht hat, dass sie dem Wald besser schauen müssen, nicht weil man ihnen Zahlen und Fakten unter die Nase reibt, sondern weil sie den Wald erlebt haben. Sie wollen dem Wald Sorge tragen, weil sie ihn gern bekommen haben.
Magst du die Bergwaldsuppe?
Ich mag Suppe grundsätzlich nicht, muss aber zugeben, dass mich die Bergwaldsuppe schon mehr als einmal kulinarisch positiv überrascht hat.
Ist das Bergwaldprojekt nur etwas für Alternative?
Das Bergwaldprojekt IST DIE ALTERNATIVE zu langweiligen Meeresstrandferien. Stundenland dem öden Strand entlanglaufen, langweilige Kriminalromane lesen, sich am Hotelbuffet Salmonellen holen, bei 40 °C im Schatten nur noch im Hotelzimmer rumhocken können, …
Hat sich das Bergwaldprojekt über all die Jahre gewandelt?
Von den Kernprojekten her gesehen haben sich vor allem die Teilnehmer gewandelt. Waren es vor 15 Jahren eben die Alternativen, ist es heute ein bunt gemischter Haufen von Menschen. Komischerweise läuft das ganze aber viel harmonischer ab, als vor 15 Jahren? Mehr Vielfalt mehr Frieden, ist das möglich?
Bergwaldprojekt in 25 Jahren?
Dann bin ich 61 Jahre alt. Das sollte schon noch drin liegen. Vielleicht ohne Zelt.
Dein Traumberuf als Kind?
Artist in der Zirkusmanege, bis mir meine Mutter gesagt hat: „ Artist ist kein Beruf sondern ein Traum“. Da bin ich halt Schauspielerin geworden.
Was bringen Frauenquoten?
Probleme, neue Probleme, inklusive der Probleme die wir bereits haben, mehr Probleme.
Im Ernst: Frauen können ein paar Dinge besser als Männer. Männer können ein paar Dinge besser als Frauen. Arbeiten in einem politischen Amt können ein paar Menschen besser als andere. Die soll man wählen, ob sie nun ein Dings haben oder ein Dingsbums.
Vertraust du auf dein Bauchgefühl?
Zu wenig. Ich Übe daran, doch manchmal ist mein Bauchgefühl ein undefinierbarer Brei von Jein …
Was bringt dir wirklich Erholung?
Bei Bergwaldprojekten teilnehmen. Hand aufs Herz. Ich fühle mich selten so ganz und aufgehoben, wie beim Arbeiten am steilen Berghang. Bei Wind und Wetter draussen sein und am Abend Zeit haben, nichts zu tun, das ist für mich Erholung in Reinform.
Wo warst du zuletzt in den Ferien?
Bergwaldprojekt Entlebuch im 2012, davor Bergwaldprojekt Montafon 2011, davor Bergwaldprojekt Montafon 2010, davor …
Welchem Satz misstraust du besonders?
„Keis Problem“
Worüber kannst du dich ärgern?
Über Menschen, die „Keis Probem“ haben.
Hörst du auf Ratschläge aus deinem privaten Umfeld?
Ja, wie soll ich sonst weiter kommen in meinem Leben?
Welches ist der Stellenwert sozialer Netzwerke für dich, beruflich wie privat?
Austausch, Lernen, verstanden werden.
Menschen sind Rudeltiere, alleine könnten wir nicht überleben.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt. Dein Beitrag heute und in Zukunft?
Ich wohne in einem Zimmer. Auf demselben Stock wohnen weitere zwei Personen in je einem Zimmer. Wir teilen uns gemeinsam ein Badezimmer. Wozu mehr Raum haben? Man hat nur mehr zu putzen, und sammelt Dinge, die irgendwann verstaubt entsorgt werden müssen.
Du bist oberste Försterin der Schweiz. Was wäre dein erster Entscheid?
Einen fähigen Förster zur Beratung einstellen, da ich heillos überfordert wäre mit einem so komplexen Ökosystem
Aber sicher wäre: jede Gemeinde, die das Bergwaldprojekt engagiert kriegt Subventionen.
14. Januar 2013