30 Jahre Vivian: lernen vom Sturm

«Sie sind die Einzigen, die geblieben sind»

Eine ganze Förstergeneration hat aus «Vivian» gelernt. Als der Sturm vor dreissig Jahren über die Alpen fegte und wichtige Schutzwälder zerstörte, fehlten weitgehend dokumentierte Erfahrungen, wie mit solchen Ereignissen umzugehen ist. Die Frage war zentral, ob sich neuer schutzwirksamer Wald genügend schnell aus Naturverjüngung entwickelt, oder ob Pflanzungen nötig sind. Ergänzend zu den Beobachtungen und Erfahrungen aus der Praxis untersuchte die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL viele Vivian-Flächen. So sind aus Forschung und Praxis Empfehlungen entstanden, welche beim nächsten Sturm verbesserte Entscheidungsgrundlagen beinhalten, wann Pflanzungen angebracht sind. Klar zeigt sich, dass stabile und gut strukturierte Wälder Sturmereignisse deutlich besser überstehen und sich danach auch schneller erholen. «Schneller» heisst im Gebirgswald jedoch, dass es selbst unter günstigen Bedingungen mehr als eine Förstergeneration dauert, also mehr als 40 Jahre, bis der Wald sich erholt hat. «Gut strukturiert» heisst, dass genügend Jungwuchs vorhanden ist. Je mehr junge Bäume im vorherigen Wald waren, umso schneller wachsen wieder kräftige Bäume im Hang. Fehlt aber der Jungwuchs vor dem Sturm wie in Curaglia GR, nehmen Gräser und Hochstauden wie Himbeeren schnell überhand. Baumsamen können sich kaum mehr durchsetzen. Dann werden Pflanzungen nötig. Das Bergwaldprojekt beteiligte sich seit das Militär und der Zivilschutz abgezogen sind an der Wiederbewaldung in Curaglia GR und blieb bis heute. «Sie sind die Einzigen, die geblieben sind», sagt Corsin Flepp, Revierförster von Curaglia. Nachdem der Sturm «Vivian» am 27. Februar 1990 den gesamten Schutzwald über Curaglia flachgelegt hatte, wurde Flepp und sein Team vom Militär und dem Zivilschutz darin unterstützt, die Fläche vom Holz frei zu räumen und für die Pflanzungen vorzubereiten. Heute ist der Hang über Curaglia wieder dicht von einem jungen Schutzwald besiedelt. Der Entscheid, auf temporäre Lawinenverbauungen und den Wald zu setzten hat sich als richtig erwiesen. «Wir haben an den Wald geglaubt und das hat sich ausbezahlt», meint Corsin Flepp dazu. Es war ein mutiger Entscheid, denn wie anfangs erwähnt, gab es noch keine dokumentierten Erfahrungen zu solchen Ereignissen. An den Projektorten Haslen GL und Uri war nach dem Sturm ebenfalls Aufforsten angebracht und auch da beteiligt sich das Bergwaldprojekt seit über 30 Jahren. Es kann durchaus auch sinnvoll sein, eine Windwurffläche nicht zu räumen, wie WSL-Studien zeigen. Denn Strünke und verrottendes Holz behalten ihre Schutzwirkung gegen Lawinenanrisse und Steinschlag rund 30 Jahre lang. Danach sollte die aufkommende Verjüngung stark genug sein, um den Schutz zu übernehmen. Wo sie das voraussichtlich nicht schafft wie in Curaglia, empfehlen die Fachleute, mit Pflanzungen nachzuhelfen.

Schutzwald Curaglia vor 1990
Sturmfläche nach “Vivian” 1990
Nach Aufforstung durch das Bergwaldprojekt

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