Interview zum revidierten Jagdgesetz

Gespräch zwischen Ernst Vetsch, Förster Wartau SG und Daniel Buchli, Revierförster Safien GR und Grossrat des Kantons Graubünden zum Thema revidiertes Jagdgesetz

 

Sie setzten sich für / gegen das neue Jagdgesetz ein. Warum?

Ernst Vetsch: ich setze mich gegen das Neue Jagdgesetz ein und zwar aus Wald- und Biodiveristätsgründen. Es gibt soviel Einflüsse auf den Wald, die wir nicht beeinflussen können, wie das Klima, Insekten- oder Pilzbefall, die sich verschiebende Waldgrenze. Das Wild ist der einzige Faktor, der beinflussbar ist. Im Kanton St.Gallen ist die Jagd nicht in der Lage, das Rotwild genügend zu reduzieren. Es ist eine zeitliche Überforderung der Jäger, die neben Beruf und Familie am Feierabend noch jagen gehen. Der Wolf ist ein wichtiges Puzzleteil in der Bewirtschaftung des Wildes. Er ist eine Hilfe für die Jäger, die nach der Ausrottung der Grossraubtiere dessen Aufgabe übernehmen mussten. In meinem Forstrevier in Wartau SG sehen wir seit der Präsenz des Luchses, das sind jetzt etwa 15 Jahre, einen positiven Einfluss auf den Wald, weil er das Reh und die Gämse reduziert. Dank dem Luchs wächst die Weisstanne wieder viel besser, da sie weniger vom Wild verbissen wird.

Daniel Buchli: Ich bin ganz klar für das Neue Jagdgesetz, weil die Kompetenzen vom Bund an die Kantone abgegeben werden soll. Es ist ein Grundpfeiler des Föderalismus, dass Probleme mit den Leuten vor Ort gelöst werden. Diesen Leuten sollte Vertrauen geschenkt werden. Im Kanton Graubünden wurden erfolgreich der Bartgeier und der Steinbock wieder angesiedelt, wir haben einen fortschrittlichen Herdenschutz und eine recht hohe Akzeptanz der Grossraubtiere. Bei der letzten Revision des Jagdgesetzes haben wir die Winterfütterung verboten und so die Hirschpopulation leicht reduzieren können. Wir Bergler sind also in der Lage Probleme zu lösen und zu überleben – sonst würde es uns schon lange nicht mehr geben!
Dieser Grundsatz des Föderalisums darf nicht aus Partikularinteresse torpediert werden. Die Jagd und die Landwirtschaft empfindet, dass sich der Forst gegen sie stellt. Und wir dürfen nicht unsere wichtigsten Partner vor den Kopf stossen.

 

Der Wilddruck auf die Waldverjüngung insbesondere im Schutzwald ist gross. Wie würden Sie dieses Problem angehen?

Daniel Buchli: Wir haben ein Wildproblem, aber ich sehe es nicht so krass wie einige meiner Kollegen. Es ist zu fundamentalistisch, wenn wir nur den Aspekt der Waldverjüngung anschauen. Es gibt genug Verjüngung, aber wir verlieren Arten. Wir brauchen verschiedene Arten, um das Risiko besser zu verteilen. Dem Wald geht’s punktuell aber besser, seit wir Grossraubtiere haben. Grossraubtiere wie der Wolf sind sicher ein Teil der Lösung.

Ernst Vetsch: Laut dem Waldbericht GR ist die fehlende Verjüngung an mehreren Orten ein Problem. Um einen Schutzwald gut bewirtschaften zu können, braucht es salopp gesagt eine gute Motorsäge und ein gutes Gewehr. Man muss auf möglichst grosser Fläche Licht in den Wald bringen, um Verjüngung zu ermöglichen und damit diese gross werden kann, muss die Wildpopulation unter Kontrolle bleiben. Und da kommen neben der Jagd die Grossraubtiere ins Spiel. In der Schweiz werden vom Bund jährlich 58 Mio. Franken und von den Kantonen nochmals annähernd soviel für die Schutzwaldpflege ausgegeben. Viele dieser Massnahmen verpuffen einfach, weil zu viel Wild da ist.

 

Würde das neue Jagdgesetz die Situation entspannen oder akzentuieren?

Daniel Buchli: eine Ablehnung des neuen Jagdgesetztes würde einen Frust bei den Jägern verursachen, weil ihnen das Vertrauen nicht geschenkt wird, dass sie mit diesem Problem umgehen können. Ich bin überzeugt, dass rund zwei Drittel der Jäger im Kanton Graubünden für eine Bewirtschaftung des Wolfes wäre, also weder für eine Ausrottung noch für das komplette Laufenlassen, sondern für eine sinnvolle Regulierung im Falle von Problemwölfen.

Ernst Vetsch: Ich befürchte, dass nicht überall so verantwortungsvoll mit den neuen Kompetenzen umgegangen werden würde. Und eine gestörte Rudelstruktur hat zur Folge, dass das Rudel nicht mehr recht verteidigt wird und so streunende Wölfe anzieht, die Probleme verursachen. Unter dem Strich wären dann mehr Wölfe da. Wir haben bei den zwei Abschüssen des Beverin Rudels gesehen, dass es auch unter dem alten Jagdgesetz möglich ist, schnell und unbürokratisch die Problemwölfe zu beseitigen. Das war ein Telefonanruf nach Bern. Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Fall schon eine national einheitliche Strategie brauchen. Das hat nichts mit Bevormundung zu tun.

 

Daniel Buchli, Revierförster Safien GR und Ernst Vetsch, Förster Wartau SG

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